Vor 17 Jahren gründete Peter Markwalder die Topspine Saddle & Tack GmbH und führte seither erfolgreich sein Geschäft in Niederbipp. Im Frühling wagten Peter und seine Frau Carmen den Umzug Richtung Westschweiz und eröffneten ihren Westernstore Anfang Mai im bernischen Nods.
«Eigentlich war der Umzug auf Januar geplant, doch der Ladenausbau verzögerte sich», erzählt Peter Markwalder, während er uns Kaffee zubereitet. Die Pandemie war am Entscheid, die Zelte in Niederbipp abzubrechen, nicht ganz unbeteiligt. Kurz nachdem Carmen ihr eigenes Geschäft in einem Ladenlokal bezog, kam der Lockdown und sie konnte ihren Store wieder schliessen. Dann kündigte der langjährige Vermieter in Niederbipp das Mietverhältnis wegen Eigenbedarf und die beiden machten sich auf die Suche nach einer geeigneten Location für den Westernstore. Ihnen schwebte die Idee vor in einem Reitbetrieb unterzukommen. Zum einen konnten sie nahe bei ihrer Ziel-Kundschaft sein, zum anderen wären es ideale Rahmenbedingungen, um die unterschiedlichen Geschäftsfelder abzudecken. Nach langer vergeblicher Suche kamen Daniel und Isabelle Sauser, Besitzer der Roping Ranch in Nods, auf sie zu und boten Peter und Carmen an, Daniels bestehende Werkstatt in ein Ladenlokal umzubauen. Und so nahm diese Geschichte ihren Lauf.
Man spricht hier französisch
Während man in Biel die Strasse auf der rechten Seeseite wählt und gemütlich entlang des Bielersees fährt, fällt spätestens nach dem Winzerdorf Twann auf, dass man sich in Richtung der französischen Schweiz begibt. Es gibt verschiedene Wege nach Nods. Wegen einer Strassensperrung empfahl Peter den kleinen Umweg über Neuveville und Le Landeron. Die kurvenreiche Fahrt hinauf nach Nods führt vorbei an schönen Gärten und durch eine üppige Vegetation. Plötzlich öffnet sich die Sicht auf ein breites Hochplateau und den Chasseral, der mit etwas über 1600 Meter über Meer die höchste Erhebung des Berner Juras ist. Rechter Hand kommt sie dann auch bereits, die Roping Ranch und der Topspine Saddle and Tack Shop. «Mein französisch ist nicht das Beste, aber nun habe ich einen Grund es besser zu lernen. Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsbereit. Auch wenn man ihre Sprache nicht perfekt spricht, nur schon der Versuch sich in französisch zu verständigen, wird sehr geschätzt», erzählt Peter. Zurzeit wohnen die beiden noch mitten in Nods. Doch das wird sich bald ändern, denn sie haben in der Nähe ein Haus mit Pferdestallung gefunden – ein weiterer Traum, der sich erfüllt.
Die Roping Ranch, auf der hauptsächlich Rinderaufzucht betrieben wird, verfügt über vier Pferdeboxen und einen Sandplatz. Peter, der jahrelang auch Quarter Horses züchtete, hat sein letztes selbstgezogenes Pferd verkauft. «Das erste Mal seit 30 Jahren besitze ich momentan kein eigenes Pferd. Schon ein komisches Gefühl. Aber ich bin auf der Suche nach einem jungen, passenden Wallach für mich».
Die elektronische Satteldruckmessung gab den Anstoss für eine Neuentwicklung
Der bald 65-Jährige denkt nicht ans Ausruhen, macht nun aber vermehrt das, was ihm Spass macht und ihn erfüllt. Und so haben sich die Aufgaben der beiden in eine Richtung entwickelt, die jedem von ihnen am besten liegt. Während sich Carmen ganz in der Welt der Hüte und der Bekleidung entfalten kann, bringt Peter, neben dem Verkauf von Saddle, Tack und Boots, Bosals in ihre korrekte Form und macht elektronische Satteldruckmessungen. Letzteres brachte ihn auf die Idee ein eigenes Filzpad zu entwickeln. «Die elektronische Satteldruckmessung zeigt schonungslos auf, wo ein Sattel nicht passt. Die Erfahrungswerte und Ergebnisse vieler Messungen ergaben, dass die Druckpunkte sehr oft im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere bei den Dornfortsätzen beim Übergang zur Lendenwirbelsäule aber auch beim Widerrist entstehen, wenn das Pad runterrutscht und beginnt auf den Widerrist zu drücken. Eigentlich dort, wo weder ein Pad noch ein Sattel aufliegen sollten». Das weckte den Tüftler in Peter. Während der Pandemie produzierte er die ersten eigenen Pads und entwickelte sie immer weiter. Das Naturprodukt Filz als Grundlage, wird mittels Lederaufsätzen oben so verbunden, dass die Wirbelsäule vom Widderrist bis zum Lendenbereich komplett freiliegt. Zudem werden die Filzkanten entlang der Wirbelsäule abgerundet und im Bereich des Riggings und der Fender entsprechenden ausgeschnitten, um Druckstellen zu vermeiden und um mit dem Bein möglichst nahe am Pferd zu sein. In einer zweiten Lage aus Filz werden Bereiche abgesteppt, die gepolstert werden können. Diese machen nun das «normale» Filzpad zu einem Korrekturpad. «Ich habe diverse Materialien getestet und mich für eine Auswahl an stossabsorbierenden Memory Foam entschieden, die keinen Hitzestau verursachen können». Das mit fortschreitendem Alter der Pferderücken etwas nachlässt, ist bekannt. Auch hier hat Peter eine Lösung. «Speziell zugeschnittene Einlagen, die nach beiden Enden auslaufen, füllen die entstandene Lücke aus. Auf diese Weise kann der Sattel weiterhin verwendet werden, natürlich vorausgesetzt, dass er ansonsten dem Pferd noch passt». Mit jeder Sattelmessung und mit jedem Feedback der Kundschaft und dem Gebrauch der Pads, kommen wieder neue Erkenntnisse hinzu und das Produkt wird weiterentwickelt.
In fast jedem Tüftler steckt auch ein Perfektionist, so ist es auch bei Peter. Ein Reiningtrainer nannte ihn einmal Mister-100-Prozent. In der Arbeit mit Pferden musste Peter damals jedoch lernen, dass er sich auch mit weniger zufrieden geben muss, beziehungsweise die Pferde leerten ihn, den Fünfer gerade sein zu lassen. Die Pferde gerieten zwar mit dem Umzug nach Nods etwas in den Hintergrund. Nun, wo alle Dinge wieder an ihrem richtigen Ort sind, kommt bei Peter auch wieder das Bedürfnis nach der Arbeit mit Pferden und Menschen. «Ich werde in Zukunft wieder den einen oder anderen Kurs anbieten. Roping-, Bosal-, Rinderkurse, aber auch Horsemanship-Clinics oder -Unterricht könnte ich mir gut vorstellen. Die Voraussetzungen hier in Nods sind vorhanden».
Ein Hut der passt – auf den Kopf und zur Persönlichkeit
Während ich parkiere, fährt ein Pickup auf den Platz und ein Mann in leuchtgelben Handwerker-Outfit steigt aus – in der Hand eine schwarze Hutbox. Er will zu Carmen Markwalder, sie soll sich um seinen Hut kümmern. Carmen hat sich in den letzten Jahren mit ihrem «Custom Hat Design» einen Namen gemacht. Hochwertige Filz- und Palm Leaf-Rohlinge aus den USA dienen ihr als Grundlage, um sie anschliessend in die vom Kunden gewünschte Form zu bringen. Je nach Geschmack wird der Hut «geshapped», mit einem gewünschten Hutband versehen, dekoriert oder die Hutkrempe veredelt. Wer das passende Outfit dazu möchte, dem stellt Carmen gerne etwas zusammen und hilft auf Wunsch mit einer Westernoutfit-Stilberatung. «Ich habe auch schon Outfits zusammengestellt und damit meine Schneiderbüste ausgestattet. Die Fotos kann ich so meinen Kunden senden oder sie auch via Facetime beraten, sollten sie gerade nicht zu uns nach Nods fahren können», erzählt Carmen.
Es macht ganz den Anschein, als ob die beiden ihren Zielhafen gefunden haben. Ein zufriedenes Co-Working, ein Tagwerk, das beide zutiefst erfüllt und dies in einer lebenswerten Region. Ganz nebenbei erwähnt: Wer an einem nahezu wolkenlosen Tag zu Carmen und Peter Markwalder nach Nods fährt, der sollte etwas mehr Zeit einrechnen und sich einen kurzen Ausflug auf den Chasseral gönnen. Die Aussicht ist bestechend und auf der Terrasse des Hotel Chasseral lässt es sich gut gehen.