Sexuelle Belästigung im Stall

Kürzlich bekam ich einen Anruf von einer jungen Frau, welche Opfer sexueller Gewalt im Stall wurde. Ein Thema, welches ich gerne für diese Ausgabe aufgreife und für einmal nicht über Haftungsfragen schreibe. Leider gehört es immer noch hinter die Stalltüren und das sollte sich ändern.

Ein tiefer Blick in den Ausschnitt, eine «unauffällige» Hilfestellung beim Aufsteigen auf das Pferd, eine anzügliche Bemerkung, eine scheinbar zufällige Berührung der Intimzonen oder schlimmer gar, wenn ein Mann oder eine Frau konkret seine/ihre Machtposition ausnutzt, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Die sexuelle Gewalt geschieht im Reitsport häufiger als man denkt. In unserem Fall handelt es sich um Laura, eine hübsche junge Frau anfangs zwanzig. Sie ist als Pferdefachfrau und angehende Bereiterin in einem Stall angestellt ist. Der Eigentümer scheint Gefallen an ihr zu finden und lässt es nicht aus, sie regelmässig mit anzüglichen Bemerkungen in Verlegenheit zu bringen. Laura will unbedingt in diesem Stall arbeiten, denn dort hat sie Zugang zu top ausgebildeten Pferden und kann auch an internationalen Turnieren Erfahrungen sammeln. Sie ist dem Pferdesport verfallen und nimmt deshalb diese anzüglichen Bemerkungen in Kauf. Bis zu dem Tag, als ihr Chef zu weit geht. Sie wehrt sich handgreiflich und erhält daraufhin die Kündigung.

Der Schweizerische Pferdesportverband SVPS ist sich des Phänomens bewusst und hat dazu eigens einen Ratgeber erstellt. In diesem sind Anlaufstellen und auch die gesetzlichen Grundlagen aufgeführt (siehe Box).

Nicht nur im Strafgesetzbuch finden wir jedoch Normen, welche die sexuelle Belästigung als strafbar erklärt. Auch das Gleichstellungsgesetz verbietet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Dazu gehören folgende Handlungen:
• Vorzeigen, Aufhängen, Auflegen und Verschicken von pornografischem Material (auch elektronisch)
• Anzügliche Bemerkungen und sexistische «Witze»
• Unerwünschte Körperkontakte und Berührungen
• Annäherungsversuche und Druckausübung, um ein Entgegenkommen sexueller Art zu erlangen – oft verbunden mit dem Versprechen von Vorteilen und dem Androhen von Nachteilen

Die sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt, wie man es umgangssprachlich allenfalls schönreden will. Ganz im Gegenteil, es deutet von mangelndem Respekt und verletzt die Würde und Persönlichkeit des Opfers. Für die Beurteilung, ob es sich tatsächlich um eine sexuelle Belästigung handelt, gibt es eine einfache Regel:
Nicht die Absicht der belästigenden Person, sondern wie deren Verhalten bei der betroffenen Person ankommt, also ob diese es als erwünscht oder unerwünscht empfindet, ist entscheidend.

Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat im Übrigen eine interessante und repräsentative Erhebung in der Deutschschweiz und in der Romandie zum Thema «Risiko und Verbreitung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz» in Auftrag gegeben. Diese Studie kann auf der Website vom SECO heruntergeladen werden.

Wann ist es ein Flirt, wann ist man bereits Opfer und was soll man dann tun? Klar ist, dass der Weg zu einer Strafanzeige nicht leicht zu gehen ist. Vor allem wenn man noch in einem Arbeitsverhältnis steht. In unserem Fall war der Leidensdruck von Laura mittlerweile so hoch, dass sie physische Symptome aufwies. Sie fasste den Mut, zeigte die Person an und suchte sich einen neuen Job.

Dies hatte sie grosse Überwindung gekostet. Laura hatte Angst vor den Reaktionen der anderen und auch, dass sie keinen Job mehr finden würde. Aber einmal ganz ehrlich und bei aller Liebe zu den Pferden – Belästigung am Arbeitsplatz hat keine Zukunft und eine Betriebsleitung, die wissentlich solches Verhalten duldet, macht sich zum Mittäter. Der SVPS hat zu diesem Thema klar Stellung bezogen – sexuelle Übergriffe und Grenzüberschreitungen im Pferdesport werden nicht toleriert! Seien wir also alle mutig, schauen nicht weg, wenn wir etwas beobachten und helfen den Betroffenen. Einer für alle und alle für einen!

Was tun bei Übergriffen und Grenzüberschreitungen?
Informationen und Anlaufstellen

SVPS/FNCH Ratgeber sexuelle Übergriffe und Grenzüberschreitungen im Pferdesport

Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann hat sich mit Fragen zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz spezifisch auseinandergesetzt und Merkblätter zur Prävention und zu konkreten Interventionsmöglichkeiten auf Ihre Website publiziert.

Ergebnis der Studie Risiko und Verbreitung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Artikel erschienen im November WESTERNER 2020
Autorin:
Lara Beaudouin, Rechtsanwältin
Quellen: www.fnch.ch / EDI / SECO
Bild: Adobe Stock

Leave a Reply

Swiss Western Horse © 2020 Frontier Theme