Alles, was Recht ist… und wenn es einfach nicht mit meinem neuen Pferd klappen will?
«Unser grösster Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.»
Dieses Zitat stammt von Nelson Mandela. Aufstehen, es geht weiter. Als Reiter können wir diesen Satz nur allzu gut verstehen. Nicht nur, wenn wir wieder einmal unfreiwillig den Sattel verlassen und zu Boden fallen, viel öfter wohl ist diese Erfahrung im Zusammenhang mit Trainingserfolgen- und Misserfolgen sowie gesundheitlichen Problemen und andere Erfahrungen im Pferdealltag zu sehen. Ich kenne keinen Reiter oder Pferdebesitzer, der nicht ein ganzes Buch über solche Täler der Tränen und Kämme des Glücks schreiben könnte. Wie sieht es denn aber aus, wenn es aber einfach mit dem neuen Pferd nicht klappen will und man alles versucht und es einfach nicht geht? Kann ich das Pferd dem Verkäufer zurückgeben?
Ein interessanter Fall ereignete sich in unserem Nachbarsland Deutschland, den ich hier besprechen möchte: Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte kürzlich einen Fall zu beurteilen, in welchem bestätigt wurde, dass ein Rücktritt aus dem Pferdekaufvertrag möglich ist, wenn das Tier nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Im Fall ging es um eine amerikanische Reiterin, die im Alter von 58 Jahren begonnen hatte, Reitunterricht zu nehmen und sich dazu ein eigenes Pferd kaufen wollte, dass umgänglich, leichtrittig sowie lektionensicher sei. Ein Lehrpferd, dass also für sie mit ihren geringen Erfahrungen geeignet sein sollte, um sie ins Glück zu tragen.
Leider flog, nennen wir sie Bridget, mehr auf den Boden, als dass sie das Glück auf Erden auf dem Rücken ihres «Comingo» erfuhr. Es stellte sich heraus, dass das Pferd nicht leicht zu handhaben war. Man konnte es weder longieren, noch blieb es ruhig stehen, wenn sie aufsteigen wollte. Sie wollte das Pferd dem Verkäufer zurückgeben, da es einen «Sachmangel» aufwies – und zwar fehlten dem Pferd die geforderten Eigenschaften a) Umgänglichkeit, b) Rittigkeit sowie c) Lektionensicherheit.
Das Oberlandesgericht gab ihr nach einem Sachverständigenbericht recht. Dieser Sachverständige stellte nämlich fest, dass das Tier nicht anfängertauglich war, da es äusserst sensibel und nervös war und für dessen Handhabung eine erfahrene Person benötigt wurde. Bridget durfte das Pferd zurückgeben und erhielt den Kaufpreis zurückerstattet, da das Gericht feststellte, dass keine der zugesicherten Eigenschaften vorhanden waren.
Wie sähe dieser Fall unter Schweizer Recht betrachtet aus?
Seit der Änderung des Zivilgesetzbuches vom 4. Oktober 2002, welche am 1. April 2003 in Kraft getreten ist, sind Tiere keine Sachen mehr (Art. 641a Abs. 1 ZGB). Die Gesetzesänderung wird allerdings durch Art. 641a Abs. 2 ZGB relativiert, denn soweit für Tiere keine besonderen Regelungen bestehen, gelten für sie die auf Sachen anwendbaren Vorschriften. Da das Gesetz keine besonderen Bestimmungen für den Tierkauf kennt (Ausnahmen bestehen lediglich für den Viehkauf: Art. 198 und 202 OR), gelten nach wie vor die Vorschriften über den Fahrniskauf (= Kauf einer beweglichen Sache, Art. 187ff. OR).
In der Schweiz könnte ein solcher Fall unter gewissen Bedingungen ähnlich entschieden werden, denn auch das Schweizer Recht kennt das Gewährleistungsrecht.
Gemäss Art. 198 OR besteht aber nur eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers, wenn der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat.
Damit sind lediglich zwei Voraussetzungen gegeben, um einen Pferdekauf mit diesem Sachverhalt rückgängig zu machen:
- Der schriftliche Pferdekaufvertrag sieht eine Liste von zugesicherten Eigenschaften des Pferdes vor, die nicht erfüllt werden.
- Der Verkäufer weiss um die Beschaffenheit/Eigenheiten des Pferdes und das reiterliche Können des Käufers sowie über dessen Ansprüche an sein Reitpferd und verschweigt aber gegenüber dem Käufer, dass das Pferd die gewünschten Eigenschaften nicht erfüllt oder behauptet gar, das Pferd habe diese Eigenschaften, obwohl er diese wissentlich nicht aufweist.
Der seriöse Pferdeverkäufer kennt in aller Regel die physischen und psychischen Eigenschaften seines Pferdes und wird versuchen, dieses an einen neuen Besitzer zu verkaufen, der auch zum Pferd passt. In Deutschland unterstehen professionelle Verkäufer einer höheren Aufklärungspflicht als ein Laie. Dieser Umstand widerspiegelt sich auch im Gewährleistungsrecht, was zu Lasten für den berufsmässigen Pferdeverkäufer strenger ausgelegt wird.
In der Schweiz spielt es jedoch keine Rolle, ob der Verkäufer privat oder professionell Pferde verkauft, wenn es um die Gewährleistungsrechte geht. Ebenso können Pferde auch an Nichtreiter und Personen, die keine Pferdekenntnisse besitzen verkauft werden. Das Gesetz sieht kein Verbot dazu vor, da der Pferdekauf nicht von einem Fähigkeitszeugnis abhängig gemacht wird. Dies ist meines Erachtens eine Gesetzeslücke, da ich nur zu oft feststellen musste, dass Personen sich Ponys oder Pferde gekauft haben, ohne auch wirklich einen blassen Schimmer zu haben, wie man sich darum adäquat kümmern muss. Lediglich das Tierschutzgesetz und dessen Verordnung wird dann die Schranken festlegen, wenn es darum geht, wie ein solches Tier gehalten werden muss.
Es wäre jedoch sinnvoller, wenn man vorab bereits sich entsprechende Kenntnisse aneignet oder zumindest ausweisen kann, dass jemand mit solchen Kenntnissen die Betreuung des Tieres begleitet.
Was aber den vorliegenden Sachverhalt von Bridget betrifft, so wäre nach Schweizer Recht eine Rückabwicklung eines Pferdkaufvertrages wegen Gewährleistungsmängel nur möglich, wenn diese entweder schriftlich vereinbart wurden oder man dem Verkäufer nachweisen kann, dass er den Käufer über Eigenschaften oder die Beschaffenheit des Pferdes mit Wissen und Willen, also absichtlich getäuscht hat. In diesem Sinne empfehle ich schriftliche Kaufverträge für Pferde, um im Streitfall auch ausgerüstet zu sein.
© Lara Beaudouin, Rechtsanwältin Advokatur Beaudouin
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