Alles was Recht ist und wie sieht es mit der Ethik aus?
RESPEKT – FREUNDSCHAFT – HÖCHSTLEISTUNG. Dies sind die olympischen Werte, welche in der Ethik-Charta der Swiss Olympic präzisiert wurden. Der Schweizerische Pferdesportverband (SVPS) hat sich mit der Frage der Ethik im Umgang rund um das Pferd und den Mitmenschen innerhalb und ausserhalb des Wettkampfsports seit längerem beschäftigt und dazu bereits einen Ethik-Codex entworfen sowie verschiedene Informationsbroschüren (z.B. Fair zum Pferd) erarbeitet. Sämtliche Pferdesporttreibenden, welche ein Brevet oder eine Lizenz besitzen, anerkennen implizit diesen Codex und verpflichten sich nach bestem Wissen und Gewissen an diesen Grundsätzen festzuhalten. Am 26. November 2021 hat nun auch das Sportparlament einstimmig im Schnellverfahren das 17 Seiten lange Ethikstatut verabschiedet, welches nun seit dem 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist und für jede Sportart ein Grundstein bildet, demnach auch für den Pferdesport gilt. Auf der Website des SVPS findet man dazu die einzelnen Download Links: https://www.fnch.ch/de/Pferd/Aktuell/Alle-News-1/Das-neue-Ethik-Statut-tritt-per-1-1-2022-in-Kraft.html
Der Geltungsbereich des Ethikstatuts ist definiert und wird unterteilt in einen sachlichen und einen räumlichen Aspekt. Ebenso wird definiert, welche Tatbestände und Handlungen Ethikverstösse darstellen, die zu Sanktionen führen können:
- Misshandlungen
Diskriminierung, physische, psychische sowie sexuelle Integrität, Fürsorgepflicht
- Missbrauch einer Funktion in einer Sportorganisation für private Zwecke oder persönliche Vorteile
Korruption / Annahme Geschenke oder andere Vorteile, Ignorieren von Interessenkonflikten
- Unsportliches Verhalten
Grobe Verletzungen der fundamentalen Grundwerte des Sports, zum Beispiel Respekt von Tieren und Umwelt
- Anstiftung, Gehilfenschaft und Versuch
Nicht nur der Täter selbst, sondern auch derjenige, der dazu anstiftet oder mithilft, soll gleich bestraft werden. Ebenso ist der alleinige Versuch bereits ein Verstoss.
- Missstände
Dabei geht es um die Sportorganisationen, in welchen das Ethik-Statut durch unzureichende Organisation oder Strukturen nicht umgesetzt werden können oder gar behindern.
Die Sanktionen können sowohl gegen Personen als auch gegen Sportorganisationen ausgesprochen werden. Diese Entwicklung ist erfreulich, zeigt sie doch auch auf, dass man von offizieller Seite keine Missstände duldet und diese auch zu ahnden gedenkt.
Ebenso wurde zu Jahresbeginn eine neue spezifische Stiftung ins Leben gerufen: die STIFTUNG SWISS SPORT INTEGRITY
Auf www.sportintegrity.ch findet man umfassende Informationen zum Thema Doping und Ethik sowie ein online Formular, wo man direkt Missstände melden kann. Bezüglich Dopingabklärung gibt es neu auch eine Smartphone APP: Die Swiss Sport Integrity APP für Android und Apple Smartphones, so dass man mobil in der Lage ist, abzuchecken, ob das jeweilige Medikament als Dopingmittel gilt oder nicht.
Die Meldestelle der Stiftung Swiss Sport Integrity löst gleichzeitig die bis anhin dafür zuständige Stelle bei Swiss Olympic und den nationalen Sportverbänden ab. Sobald die Meldung erfolgt ist, wird die zuständige Stelle den Fall untersuchen. Diese Stelle ist unabhängig und soll eine objektive Beurteilung ermöglichen. Das Verfahren sieht folgendermassen aus:
Die Disziplinarkammer (DK) besteht aus insgesamt 20 Richtern, die entweder Juristen oder medizinische Experten sind. Diese werden durch das Sportparlament gewählt. Dabei besteht jede einzelne Kammer wiederum aus drei Richtern. Die Stiftung Swiss Sport Integrity ist dabei die Klägerin und nicht diejenige Person, welche die Anzeige erbracht hat. Es ist demnach ähnlich aufgestellt, wie in einem Strafverfahren. Als zweite Instanz und damit zur Überprüfung der Entscheide der Disziplinarkammer, fungiert das internationale Sportschiedsgericht, das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) in Lausanne. Auch die Schweiz ist darin mit Mitgliedern vertreten, unter anderem mit dem aktuellen Leiter des Rechtsdienstes de la Fédération Equestre Internationale (FEI), Herr Mikael Rentsch.
Das Strafmass gegen Verstösse des Ethikstatuts ist je nach Schwere des Falles verschieden schwer. Leichte Verstösse werden mit einer Verwarnung oder Geldstrafe und schwere Verstösse gar mit Verboten oder Ausschluss aus dem Sport geahndet. Nebst diesen Sanktionen steht nach wie vor der Gang zu staatlichen Gerichten für Zivil- und Strafrecht offen. Konkret wenn es um Verstösse gegen Gesetze geht. In strafrechtlich relevanten Fällen ist bei Verurteilung sodann gar mit Freiheitsstrafe zu rechnen.
Der SVPS ist verpflichtet, die von der FEI oder CAS auferlegten sportspezifischen Strafen zu akzeptieren und auf nationaler und internationaler Ebene (CSIO; CSI; CDI etc.) durchzusetzten – dies aber erst, wenn Entscheide rechtskräftig geworden sind. Damit besteht weiterhin ein grosses Time Gap zwischen Anzeige, Untersuchung, Verurteilung und letztlich Sanktion. Dies kann in der Bevölkerung zu Missmut und Unverständnis führen, doch letztlich darf nicht vergessen werden, dass die beschuldigte Person Anrecht darauf hat, sich gebührend zu verteidigen und erst zu dem Zeitpunkt ein Verdikt umgesetzt werden kann, wenn der Verfahrensweg ausgeschöpft oder die Person selbst den Verstoss anerkannt hat.
Ich möchte davon ausgehen, dass jeder Pferdeliebhaber bereits auch ohne Ethik-Charta oder Ethikstatut die darin enthalten Grundsätze ausübt. Es ist wichtig, dass wir diese Grundsätze in unseren Alltag einbinden und nicht nur dort Tierliebe walten lassen, wo das Tier einen besonderen Stellenwert hat, sondern auch uns gegenüber allen Tieren entsprechend ethisch verhalten. Natürlich gilt dies auch gegenüber unseren Mitmenschen. Das Reiten ist meiner Erfahrung nach, ein guter Lehrmeister des Lebens. Mich hat es unter anderem Geduld und Demut gelehrt und meinen Durchhaltewillen gestärkt. Für manche Menschen ist es aber nötig, eine Art «guide of conduct» zu geben, um zu verstehen und zu lernen, welches Verhalten ethisch ist. Ebenso soll bedacht werden, dass wir alle wahrscheinlich irgendwann in unserem Leben vor einem enorm hoch scheinenden Berg zu stehen kommen und wir in solchen Momenten überfordert sein können. Der Vorfall im Fünfkampf bei den Olympischen Spielen in Tokio mit Annika Schleu hat dies mehr als deutlich gezeigt. Bevor es zu solchen Eskalationen kommt, kann manchmal eine helfende Hand oder ein richtiges Wort mehr bringen als die Passivität der Beobachtung allein und dann das Denunzieren. Letzteres bringt zwar ein Stein ins Rollen, doch löst es das Problem erst stark zeitverschoben und erlaubt es gar renitenten Sportlern weiterhin aktiv zu sein, bis das Verdikt auch durchgesetzt werden kann.
In diesem Sinne bevorzuge ich persönlich die direkte Interaktion – sollte diese jedoch keine Früchte tragen, ist zu hoffen, dass in der Praxis auch die entsprechende Zivilcourage bei den Einzelnen zu finden ist, um allfällige Missstände zu melden und damit diese durch Sichtbarmachung zu sanktionieren.
Das Ethikstatut ist ein Statement für den respektvollen und freundschaftlichen Umgang, auch unter dem Aspekt des Kräftemessens und der Erbringung von maximal möglicher Leistung – es ist damit ein Manifest für das Verständnis des modernen Sports!
Autorin: Lara Beaudouin, Rechtsanwältin
Foto: AdobeStock_265941385
Quellen: www.sportintegrity.ch