Wohin mit unseren Sportpferden nach ihrer Karriere? Was ist besser, ein aktiver Ruhestand oder eine Altersweide? Wie zeichnet sich das Lebensende der Pferde ab, bzw. wie können wir als Menschen es wahrnehmen und zum passenden Zeitpunkt handeln? Diesen Fragen stellten sich ausgewählte Fachleute und präsentierten ihr Wissen und ihre Erfahrungen einem breiten Publikum.
Das Ende einer Sportlerkarriere ist immer mal wieder ein Thema. Man sollte bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist und man am Zenit angelangt ist. Nur, wie geht es dann weiter? Während wir uns intensiv mit dem Danach auseinandersetzen und Pläne schmieden können, sind Sportpferde auf die Entscheide ihrer Menschen angewiesen.
Das Management eines Sportpferdes gleicht dem eines Spitzensportlers
Zwischen den Sportkarrieren von Menschen und Pferden gibt es einige Parallelen. Eine Gemeinsamkeit ist die Trainingsroutine. Sie bestimmt den Alltag, bringt Kontinuität und Abwechslung zugleich und sorgt für die körperliche, aber auch mentale Fitness. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Ernährung, die, je nach Leistung, optimiert wird und natürlich die Erholungs- und Ruhephasen, die jedes Individuum benötigt, um wieder Kraft zu tanken. Für Pferde, deren Grundbedürfnisse sich auf genügend Futter, Wasser, Bewegung und soziale Kontakte zu Artgenossen beschränken, ist das Leben als Sportpferd eine Rolle, die wir ihm zuteilen. Ergo stehen wir auch in der Verantwortung, für einen vernünftigen Ausstieg aus dem Sport zu sorgen.
Die Aussage «jetzt darf er wieder einfach nur Pferd sein» ist gut gemeint, jedoch greift hier nur bedingt und ist vom Alter, Rasse und Art der Sportkarriere abhängig.
Am Beispiel des Rennpferdes teilte Julie Degand ihre, bzw. die Erfahrungen der Fédération Française de la Reconversion, einer Vereinigung in Frankreich, die sich der Umschulung und anschliessenden Vermittlung von Rennpferden annimmt. Vorausgeschickt die Bemerkung, dass Frankreich mit dieser Institution eine Vorbildfunktion für andere Länder einnehmen sollte. Noch immer sind die Schicksale der Schweizer Galopp- und Trabrennpferde nach ihrem Karriereende ungewiss. Oft wissen ihre Besitzer gerade noch, wo vorn und wo hinten ist, sie interessieren sich nur für die Leistung und den Erfolg. Vielen Trainern ist die Zukunft ihrer Schützlinge nicht egal. Ein Vollblüter ab der Rennbahn ist nach wie vor mit gewissen Vorurteilen belegt. Die Situation war in Frankreich nicht anders, bis sich die FFR bildete und anfing, sich der Problematik anzunehmen.
Neue Aufgaben nach dem Sport
«Das Pferd braucht Zeit, um seine technischen Fähigkeiten zu entwickeln und seine Muskeln anzupassen. Ein Spring- und Dressurpferd wird etwa im Alter von 9 Jahren mit den grossen Preisen beginnen können. Im Gegensatz zu einem Rennpferd, das sehr jung anfängt,» Dr. med. vet. Emmanuelle Van Erck. Je nach Karriereverlauf, der auch von Verletzungen geprägt sein kann, sind Rennpferde nach ihrem sportlichen Aus zu jung für einen Ruhestand. Hier steht es also, das ausrangierte Renn- oder Trabrennpferd. Im besten Fall voll im Saft und voller Energie, die aber für seinen Sport nicht mehr ausreicht. An den Menschen und an eine tägliche Routine gewohnt und nur auf eines getrimmt – schnell zu laufen. Eine zu abrupte Änderung des Alltags verkraften nicht alle Sportpferd. Ein gezieltes Herunterfahren liegt auf der Hand. «Die Umschulung eines Rennpferdes ist ein Prozess,» erklärt Julie Degand. Am Anfang steht für jedes der Pferde eine Änderung der Aktivitätsziele. Die Anpassung an eine neue Umgebung, die Änderung des Trainingsrhythmus und der Ernährung. Jedes Tier bekommt die Zeit, die es braucht, um sich zu erholen und neu zu orientieren. Während dieses Prozesses ermitteln die Trainerinnen und Trainer die jeweiligen Talente ihrer Schützlinge und beginnen damit, diese zu fördern. Nach und nach findet eine Umschulung statt, mit dem Ziel, dem Pferd ein erfülltes und würdiges Leben nach dem Rennsport zu ermöglichen, sei es als Freizeitpferd oder auch in einer anderen Sportart. Die Pferde werden unter einem sogenannten Fachvertrag verkauft und auch nach dem Verkauf eine gewisse Zeit lang begleitet und die neuen Besitzer nachbetreut. Die Nachhaltigkeit ist dem Verband sehr wichtig.
Wann gilt ein Pferd als Senior?
Ab dem fünfzehnten Lebensjahr gilt ein Pferd als Senior. Kein Grund, es in den Ruhestand zu schicken. Viele sogenannte Senioren leisten auch im höheren Alter noch Grosses im Sport. Hier bezahlt sich ein gutes Management, vor allem in den jungen Jahren, aus. Wer seinen Sportpartner auch noch in älteren Jahren voll motiviert und gesund neben sich hat, der profitiert von einem erfahrenen Routinier, der seinen Job genaustens kennt. Als Pferdebesitzer sollte man das Feingespür dafür entwickeln, wann es für die Lebensumstände seines Pferdes eine Anpassung oder gar einen Richtungswechsel benötigt.
Altersweide oder aktiver Ruhestand
Gerade für Pferde, die im Sport aktiv waren oder in einer täglichen Routine mit Bewegung, Fütterung und menschlichen Kontakt standen, könnte ein Wechsel auf eine Altersweide zu schaffen machen. Muss aber nicht. Hier ist wieder das Gespür des Besitzers gefragt, oder auch der Wille, dieses zu entwickeln. Die Alternative ist ein aktiver Ruhestand und ein schrittweises Anpassen der Aktivitäten und auch der Fütterung an den körperlichen Zustand des Seniors oder der Seniorin.
Altwerden als eine Frage der Lebensqualität
Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für unsere Pferde. Mit dem Unterschied, dass wir im schlechtesten Fall die letzte Zeit bis zu unserem Ende durchhalten müssen. Unseren Pferden können wir dieses «Durchsiechen» ersparen. Allerdings auch nur dann, wenn wir den Moment erkennen, an dem die Lebensqualität nicht mehr gewährleistet ist. Hierfür braucht es Beobachtungsgabe. Anzeichen des baldigen Endes sind eine Veränderung des Fellwechsels, chronische Abmagerung, Steifheit und Versteifung, Müdigkeit und eine gewisse Belastungsintoleranz. Einerseits ist es altersbedingt, andererseits spielen Faktoren aus der Vergangenheit wie Traumata, mechanische Abnutzung, die Genetik und Fettleibigkeit eine Rolle. Weitere Indikatoren laut Vincent Boureau sind Zahnprobleme, Equines Asthma, Verschlimmerung eines Sommerekzems, Augenläsionen, asymptomatische Herzgeräusche oder linke Herzinsuffizienz. Weitere Anzeichen sind Lethargie bis hin zum depressiven Zustand, Stimmungsstörungen wie aggressives Verhalten, eine Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen, übermässige Anhänglichkeit oder Neophobien. Und natürlich die Anzeichen von Schmerzen.
Der letzte Weg
Je nachdem, ob wir unser Pferd als Haus- oder Nutztier deklariert haben, können wir bestimmen, wie es aus dem Leben scheidet. Hier gehen die Ansichten auseinander. Ob Bolzenschuss oder Euthanasie, beide Methoden sind schnell und schmerzlos, erklärt Dr. med. vet. Michelle Jackson vom UZH, Tierspital Zürich, abschliessend nach ihrem ausführlichen Vortrag.
Ein grosses Dankeschön an Gilles Thiébaud und sein Team für die interessante Tagung. Wer sich mehr mit dem Thema befassen möchte, kann alle Vorträge online anschauen. Die meisten Vorträge sind in Französisch gehalten, werden jedoch simultan übersetzt (nicht die Videos). Die Folien sind zweisprachig.